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Samstag, 10. Mai 2014

Göttliches

Frisch in Christchurch angekommen faengt es auch schon an zu regnen. Wir hoffen taeglich auf besseres Wetter, aber es regnet über eine Woche. Wir haben eine sorgenvolle Zeit hier, da der Autoverkauf ansteht. Gekauft haben wir es während der Hochsaison für 4200 Dollar. Der erste Händler bietet uns 600 Dollar, genauso das örtliche Auktionshaus. Bei grauem Wetter verteilen wir Handzettel in den Hostels und in Supermärkten, um die Bude loszuwerden.


Flora und Doreen beim Verteilen der Flyer
Jede Nacht fahren wir auf den selben Campingplatz und sehen zu, so schnell wie möglich ins Bett zu kommen, des Regens wegen. Wir versteigern auch über www.trademe.com.nz - ein Ebaypendant. Ab und zu fahren wir zu einem Interessenten, um das Fahrzeug vorzuführen. Das beste Angebot ist 2800 Dollar. Der TÜV ist bei unserem altem Auto (1994) halbjährlich durchzuführen. Das kostet zwischen 35 und 50 Dollar. Wir haben noch zwei Monate TÜV drauf. Wir bieten dem freundlichen Mann an, den TÜV noch zu machen - ein Fehler. Wir bekommen eine umfangreiche Mängelliste mit vermutlich 900 Dollar Reparaturkosten. Außerdem ist ein Sprung in der Windschutzscheibe. Austauschkosten für 400 Dollar stehen an. Wir versuchen den Schaden vergeblich mit einem Reparaturset unsichtbar zu machen.

Doreen baut die Windschutzscheibe
Da die Ausgaben natürlich noch steigen können, wenn die Werkstatt "sich verschätzt hat", versuchen wir, das Auto an jemand anders zu verkaufen. Nach einer weiteren Nacht im Regen lädt uns früh ein altes Kiwipärchen (Kiwi = liebevolle Bezeichnung der Einwohner Neuseelands) zu Tee in ihr Wohnmobil ein (deutsches Fabrikat). Da klopft auch der Ranger an die Tür und verkündet eine bevorstehende Flut auf dem Campingplatz. Wir duschen heiß am Flughafen (kostenlos) und genießen die Abwechslung zum Bad im kalten Fluß. Dann wollen wir das Auto noch einem Interessenten in der Stadt zeigen. Der junge Kerl, ein Israeli, wohnt bei einer Frau, Susette,  in Christchurch, die uns kurzerhand zum Abendessen einlädt. Wir bleiben bei Susette über eine Woche, doch dazu später.

Flora und Suzette machen Feuer
Christchurch wurde 2010 von einem schweren Erdbeben erschüttert, dessen Zentrum 38 km außerhalb der Stadt in einer Tiefe von über 10 km lag.

Webcamaufnahme Christchurch 2010

Hier gibt es zwar jährlich Erdbeben, aber nicht in der Stärke von 7.1.   671 Kilotonnen TNT müssten expodieren, um das zu simulieren. Große Teile der Stadt wurden zerstört, darunter eine uralte Kathedrale. 2014 ist die Stadt zwar kein Trümmerfeld mehr, aber die Lücken sind nicht gefüllt. Viele alte Gebäude stehen halb eingestürzt da oder sind wegen Einsturzgefahr gesperrt. Man kalkuliert mit einer Wiederaufbauzeit von 50 Jahren.

Square Cathedral

zerstörtes Haus am Steilufer bei Redcliff/Christchurch
In Christchurch gibt es ein schönes riesiges Museum, das Canterbury Museum. Ausstellungsinhalte sind die Kultur der Ureinwohner Maori, das alte Ägypten, die Tierwelt Neuseelands, die Antarktis, die Erdgeschichte, etc. Es gibt auch ein Erlebniszentrum für Kinder, das hauptsächlich die Fauna beackert. Insgesamt sind wir 4 Tage im Museum. Am ersten Tag rennt Flora wie verrückt von Exponat zu Exponat. Man kann nichts anständig erklären, schon ist sie weiter. Flora ist nicht zu halten. Doreen und ich sind zu müde, um sie zu diziplinieren. Ich denke, dass es volkommen sinnlos war, herzukommen, da Flora sich nichts merken kann. Abends im Bett erzählt sie aber so viele Dinge, dass ich mich nur wundere, wie ein Mensch in dieser Geschwindigkeit Informationen aufnehmen kann. Eines Tages bin ich mit ihr in der Erlebniswelt und sie flitzt schon wieder hin und her wie ein aufgescheuchtes Huhn. Ich zwinge sie ständig, sich zu konzentrien und am Ende geht Flora mit mir freiwillig alle Schubladen durch und stellt Fragen zu deren Inhalten. Das waren bestimmt 30 Schubladen und wieder wundere ich mich, diesmal über ihre Geduld. Letztlich war es richtig schön ein Museum mit soviel Zeit zu erkunden.

Wir besuchen noch das Antarktismuseum (http://www.iceberg.co.nz). Ein Großteil aller Antarktisexpeditionen starten hier, am Flughafen Christchurch. Dieser Kontinent ist 2,7 Millionen km² grösser als Europa. Man kann einen antarktischen Sturm in der Kältekammer miterleben. Ich stelle mich direkt vor die Maschine, die 40 km/h schnellen Wind simuliert. Anfänglich kann ich im -35° kalten Sturm gar nicht atmen. Der Körper will die kalte Luft gar nicht aufnehmen. Mit normaler Bekleidung würde ich innerhalb einer Minute erfrieren. Flora schaut da lieber von draußen zu.
Dafür fährt sie mit dem Hagglund, einem für schwieriges Gelände konzipierten schwimmfähigen Überschneefahrzeug (Flori, Du kennst es vielleicht als "Husky"). Das Kettenfahrzeug ist ca. 7 m mal 2 m lang und 2 Meter hoch. Wir fahren steile Hänge rauf und runter und durchqueren einen ca. 1 m tiefen Fluss.
Hier sind Basislager und Expeditionszelte nachgebaut. Man kann auch die notwendige Bekleidung ausleihen und anprobieren. Insgesamt verbringen Flora und ich 5 Stunden im Museeum während Mama im Auto schläft und die Freizeit genießt.

Flora im Hagglund

Flora auf dem Schneemobil

Susette

Wir freuen uns über die unverhoffte Essenseinladung und noch mehr über die Möglichkeit, in einem Haus zu schlafen. Susette ist in den 50ern, alleinstehend und stark religiös. Regelmäßig bedankt sie sich bei Gott und erklärt uns Dinge aus der Bibel. Es ist einerseits anstrengend, andererseits ist Susette eine sehr liebe Frau und wir fühlen uns herzlich aufgenommen. Am Ostersonntag besuchen wir ein christliches "Musical", das aufwendig produziert wird. Bereits vor der Halle begrüßen uns zwei Jungs und wir unterhalten uns echt prima mit ihnen. Dann beginnt die Vorstellung und der Showmaster verkündet, man solle die nächsten zwei Minuten nutzen, um neue Leute kennenzulernen. Da kommt einer auf uns zu und wir unterhalten uns kurz und stellen uns vor. Während der Vorstellung rufen einige aus dem Publikum "Ja" und "das stimmt" an manchen Passagen. Da fällt mir auf, dass diese Rufe nur aus der ersten Reihe kommen. In der ersten Reihe stehen auch die Jungs vom Anfang und der Typ von der "Zweiminutenvorstellzeit". Es werden rockige Lieder gesungen mit Inhalten wie "Unser Gott ist der Größte". Es gibt Kaffee und Kuchen und ein Meetingbereich, in dem man neue Leute kennenlernen kann.
Es gibt Betreuung für Kleinkinder und eine extra Show für die Größeren. Wir lassen Flora bei der Kleinkinderbetreuung - sie hat kein Problem, allein da zu bleiben. Als wir nach ihr schauen, weint sie bitterlich, da sie Mami sehr vermisst hat. Wir fühlen uns schlecht.
Viele junge Menschen sind hier. Man bekommt ein Formular, wo man seine Datein eintragen kann. Auf dem Formular ist als Dankeschön eine Schokolade gepint. Alles in allem ist mir die Sache sehr befremdlich. Diese Geschichte hier hat Züge einer Sekte.
Ich weiß nicht so recht, ob wir bei Susette bleiben sollten, aber Flora gefällt es sehr und Susette ist wirklich nett. Wir schauen uns religiöse Filme an und ich unterhalte mich oft mit Doreen über seelische und biblische Belange, da wir sozusagen momentan ein spirutuelles Bad nehmen. Letztlich denke ich, dass es nicht schaden kann, für ein paar Tage einen Einblick in das Leben eines streng gläubigen Menschen zu bekommen und es war eine gute Entscheidung. Ich biete meine Hilfe an und streiche für Susette die Überdachung der Veranda während Flora im Garten spielt und Doreen.....Wäsche wäscht.

Dein ist mein ganzes Herz, gespielt und gesungen von Flora Winkler

Susette nimmt am Headprogramm teil. Die Teilnehmer nehmen Israelis für wenig oder kein Geld auf um, Ihnen den Urlaub oder die Auszeit kostengünstiger zu gestalten. Die Bibel sieht vor, dass die Juden Ihr Land zurückbekommen. Mit der Aufnahme der Israelis will das Headprogramm Israel unterstützen.

Wir haben den VAN für 1900 Dollar an den freundlichen Mann der uns 2800 Dollar geben wollte, guten Gewissens unter Bekanntgabe aller Mängel verkauft.

Wir fahren mit dem Bus in den nahegelegenen Peel Forest. Hier wohnen wir bei Jenny und Steve, einem Pärchen in den 50ern. Beide haben einen kleinen Bauernhof mit Pferden, Schafen, Hühnern und Enten sowie einem Hund. Hier wohnen auch Masha und Zana, eine 27-jährige Frau mit ihrer 3 1/2 jährigen Tochter. Die Familie hat ein Nebengelass mit mehreren Doppelstockbetten für Urlauber, das  "Backpackers". Dort schlafen Hugo, Fabian und Eileen - die deutsche Familie, die wir auf der Nordinsel kennengelernt haben. Wir schlafen im Wohnhaus. Auf dem großen Balkon im zweiten Stock stehen mehrere Außenbetten im Sanatoriumstil. Hier wird ein Pärchen untergebracht, das hier Kurzurlaub macht. Dann gibt es noch Brian, einen 71-jährigen Weltreisenden aus Australien. Brian arbeitet hier halbtags im Garten. Er spricht Farsi, Arabisch, Basa Indonesia, Französisch, Türkisch, Englisch und Hindu. Wir haben ihn mit Südamerika angesteckt und er will nun Spanisch lernen.
Direkt nach der Haustür kommt man in die große Küche. Hier findet sich ein grosser Tisch, der 12 Mann aufnehmen kann. Die Küche ist altbäuerlich eingerichtet. Den ganzen Tag brennt das Feuer im Holzofen, so wie man auch bei uns früher die Öfen in der Küche hatte. Es macht Spaß mit so vielen Menschen zusammen zu essen. Vor dem Essen wird ein lustiges Gebetslied gesungen. Wir fassen uns alle an den Händen an und singen: "Thank you Lord for giving us food, right here where we are - Amen." Dazu wackeln alle mit den Händen auf und ab. Das macht wirklich Spaß. Ich schlage zusammen mit Fabian Pfähle für die Himbeeren und zwei dicke für den Zaun ein, außerdem helfen wir beim Holzmachen und misten den Hühnerstall aus. Ich darf den Traktor fahren und das macht richtig Laune. Ich arbeite sehr gern mit Fabian zusammen, er ist fleißig und nett. Doreen hilft im Haushalt und beim Nüssesammeln, die es hier haufenweise gibt (Wal- und Haselnüsse sowie Maronen). Flora genießt die Zeit hier sehr. Sie reitet mit dem Pony, füttert die Hühner und jagt die Schafe. Die letzte Nacht wollen wir in einem der Außenbetten schlafen, so wie Steve mit seinem 5 Brüdern während seiner Kindheit. Es ist eine extrem stürmische schwüle Nacht. Flora schläft sofort ein. Doreen und ich können wegen des Sturmes nicht schlafen. Wir haben Probleme beim Atmen wenn uns der Wind um die Nase weht. Es ist ganz komisch, im Halbschlaf habe ich wirklich richtig Schwierigkeiten Luft zu hohlen. Ich schwitze regelrecht vor Angst zu ersticken. Das muss eine Kopfsache sein, denn Flora schläft wie ein Stein. Da Doreen auch richtig zu kämpfen hat, entscheiden wir um drei Nachts wieder nach Drinnen zu ziehen. Früh um 6:30 Uhr fahre ich mit Steve, der auch Schulbusfahrer ist, mit dem Schulbus die Kinder aus dem Hinterland zur Schule. Die Landschaft ist der Hammer. Wir fahren auf einer Schotterpiste neben dem riesigen Rakaia Fluss in Richtung der Schnee- und gletscherbedeckten Südalpen. Links und rechts von uns ragen hohe Gebirgszüge in den Himmel. Die Gegend ist nahezu unbewohnt. Inmitten der malerischen Landschaft holen wir zwei Kinder von ihrem wunderschönen Zuhause ab. Nur für die zwei fahren wir eine Stunde durch Niemandsland. Der Vater von Steve war Austin Deans, ein landesweit bekannter Maler. Seine Gemälde sind sehr teuer. Im Haus von Steve hängen an jeder Wand die begehrten Ölmalereien. Ich hänge mal ein abfotographiertes Gemälde vom Altmeister und ein Foto der gemalten Gegend an. Vielleicht kennt jemand von Euch Samuel Butler - ein englischer Schriftsteller, der "Erewhon" geschrieben hat - inspiriert durch ebendiese Gegend (http://de.wikipedia.org/wiki/Erewhon). Abschliessend findet Brian noch einen Regenwurm im Garten, den ich Euch nicht vorenthalten möchte. Der ist vielleicht 30 cm lang und teilweise bis zu 1cm dick - wohl keine Seltenheit hier.
Doreen schneidet Zwiebeln für 12 Mann

beim Nüssesammeln

unser Zimmer

Außenbetten im zweiten Stock

Wohnküche

Wohnküche

Wohnstube mit Gemälden von Austen Deans

Esstisch von Wohnstube aus gesehen - links ist der Zugang zur Veranda


Hühnerstreu

Traktorabenteuer

Haselnussplantage

Jeannies Nähstübchen - das ehemalige Schulhaus
(im Bild Eileen (sonst schlanker - derzeit schwanger))

Zana, Flora, Pony

Hüh, Pferdchen Hühaho

frisch ausgemisteter Hühnerstall

Veranda, mit Flora und Hugo

Zana und Flora beim Schnabbern

Lunch auf der Veranda (orange Brian)

Inferno

Steve und Jenny

Zana und Flora im Wohnzimmer

Zana und Flora beim Schnabbern

Flora umarmt einen Totara (Steineibe 9 Meter Stammdurchmesser)

Steve schiesst ab und an ein Possum für den Hund (Fell hat er leider schon abgerupft)

Abendessen in Wohnküche (neben Doreen Hugo, Fabian und Eileen)

Kaffeepause beim Holzmachen im Eukalyptuswäldchen

Brian soll für Eileens Freunde was Nettes zur Hochzeit sagen. Er meint: "Ich war schon vier mal verheiratet. Nach jeder Trennung waren alle glücklich."

Rakaia in Öl - vergleiche mit
http://www.new-zealand-photos-online.com/canterbury/h2E0E856C#h2e0e856c
der Regenwurm

beim Hühnerfüttern

Brian lernt Zana ein Lied

Für die letzten zwei Tage geht es nun zurück nach Christchurch zu Suzette.

1 Kommentar:

  1. Sieht alles ganz schön rustikal und altbacken aus in der Bude, jedoch auch unvergesslich urig und schön. Dort war die. Zeit bestimmt sehr intensiv.
    LG Mike

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